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Bürgerhaus „Alte Schäferei“ Mosigkau
mit Schäfergarten

Kristina Schlansky

Zum Werdegang des alten Gutsschäferhauses in Mosigkau

Das ursprüngliche Schäferhaus 1747

Am 28. August 1747 wurde urkundlich Johann Georg Hentze als Schafmeister von der Prinzessin Anna Wilhelmine von Amnhalt-Dessau eingestellt. Der mit ihm geschlossene Vertrag galt nur für zwei Jahre. Zur Sicherheit mußte er seine Mühle, die er in der Nähe des Ortes Mosigkau besaß, als Pfand setzen.

Das durch die Prinzessin neuerbaute Schäferhaus war in Fachwerk errichtet worden, dessen Felder mit Lehm ausgefacht und ungetüncht waren. Es besaß ein Ziegeldach. Der Eingang bestand aus einer Ober- und einer Untertür mit schmiedeeisernen Beschlägen, Riegeln und Klinken.

Zwei Stuben mit Fichtenholztüren, mit je zwei Schiebefenstern zu  je 12 Fensterscheiben (sehr wertvoll zu dieser Zeit!)  bewohnte der Schäfer. In der Wohnstube stand ein Plattenkachelofen, der auf Steinen stand. Die Stuben und die Kammern waren mit Mauersteinen (Ziegeln) gepflastert. In der Kammer gab es ein kleines einflügeliges Fenster. Es gab eine Küche mit Herdt und Rauchfang. Mittels Leiter konnte man auf den Boden steigen, von wo man rechts und links durch eine Tür in die Bodenräume kam, wo sich auf der Giebelseite je eine Luke befand.

Es gehörte ein Garten von ca. 30 x 30 m zum alten Schäferhaus, der die Grundbedürfnisse der Selbstversorgung berücksichtigte. Die Prinzessin hatte ihn mit einundvierzig Pflaumenbäumen, einem Apfelbaum, einem Birnbaum und drei Kirschbäumen ausstatten lassen. Eingefriedet war der Garten mit einem geflochtenen Zaun mit Dornenbesatz und Satzreißern, die auch den Hof einfasste.

Der Schafmeister Hentze hatte wohl nicht allzu großes Glück und Geschick, die 700 Schafe der Prinzessin gewinnbringend zu halten und zu vermehren, denn 1749 endete sein Pachtverhältnis. Der nächstfolgende Schäfer ist nicht extra aufgeführt. Weil vermutlich die einfache und leichte Bauart des Schäferwohnhauses der Witterung nicht dauerhaft widerstehen konnte, fielen um 1780 viele Bauarbeiten an.

 

Generalreparatur des Schäferhauses 1780/81

Am 10. September 1781 verzeichnete der Stiftsrat Richter, der ehemalige Hofrat der Prinzessin Anna Wilhelmine, umfassende Bauarbeiten am Schäferhaus, auch an der Scheune,
am Kuh-und Schafstall, Backhaus.
Eine Summe von 398 Talern wurde für die folgenden Arbeiten und Materialien aus der Stiftskasse ausgegeben:

Lohn:

Zimmermannsarbeiten für Schäferhaus; Maurerarbeiten, dazu zählte Dach decken, Öfen setzen Pflastern der Räume;

Tischlerarbeit (Fensterrahmen von Tischler Frisch aus Mosigkau); Zimmermannsarbeit  für Hoftor; Glaserarbeiten für die Fenster;

Schmiedearbeiten (Beschläge);

Lohn für das Sprengen von Felsbrocken (wohl für Fundament);

Lohn für Kleber oder Kleiber, Koltzke mit Tagelöhnern aus Chörau; Herstellen der Felder des Fachwerks, Wellerwände und Schornsteine;
Fuhrlöhne                                                                                                                                              

Materialien:

Bauholz, Latten, Bretter ,Schwellen und Thorsäulen, Bretter für die Schäfferstube, 9 Fuder Feldsteine,
7 ½ Bund Langstroh zum Kleiben der Weller

Große Menge Mauersteine, 172  Fuder Lehm Splitt, 4900 Dachsteine aus Aken und Speckinge, diverse Nägel vom Schmied

Das Haus ist demnach grundlegend saniert und erneuert worden.

1782  wurde im Schäfergarten  ein neuer Käsekorb (zum Trocknen der Schafskäse) für 2 Taler gebaut.

Schäferhaus zu Mosigkau so wie es 1843 neu erbaut worden ist

Die nicht mehr erhaltene Bauzeichnung von 1843 zeigt den Folgebau des Wohnhauses für den Schäfer des Stiftsgutes Mosigkau auf dem Baugrund des vorigen. Hier sind die Funktionen der Räume gut zu erkennen.

Schäferhaus Einteilung der Räume um 1850

Links befand sich eine Einfahrt für einen Schäferwagen und die dahinter liegende Rollkammer zur Aufbereitung der Schafwolle vor dem Abliefern. Rechts kam man über eine Stufe in den Hauseingang mit Flur und Treppenaufgang zum Boden. Der Eingang in die Küche ist geradeaus zu finden. Ging man nach rechts, so konnte man den kleinen Schweinestall und den ebenso großen Kuhstall betreten. Die beiden Ställe und der Hausflur hatten je einen Ausgang zum Hof. Links neben dem Flur sieht man die Wohnstube mit dem Ofen und zwei Fenstern und die dahinter liegende kleinere (Schlaf-) Kammer. Der Küchenherd und der Stubenofen haben einen gemeinsamen Abzug.

1881 kam es wieder zu verschiedenen Erneuerungen, vor allem des Dachstuhles für 1773 Mark.

Modernisierende Umbauten im Schäferhaus 1937

Für eine Summe von 1700 Mark wurde im Schäferhaus modernisiert:

Zur Anpassung an einen höheren Lebensstandard wurde eine Speisekammer für 205 Mark eingerichtet.
An der Westseite des Schäferhauses wurde ein Waschhaus angebaut, was 677 Mark kostete. Die Küche benötigte einen neuen Schornstein, der 317 Mark gekostet hat.
Der Einbau einer Giebelstube für 449 Mark  vervollständigte die Modernisierung des Schäferhauses.

Die Ansicht des Schäferhauses um 1940

Während des Zweiten Weltkrieges wurde das Stiftsgut mit der Schäferei an die Fa. Junkers als Versuchsgut verpachtet, wohl auch, weil die Versorgung der Angestellten und Bevölkerung mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen realisiert werden musste. Der Schäfergarten wurde zum Beispiel zur Geflügelzucht umgestaltet. Auch Werkstätten gab es nun auf dem Gelände.

Schäfergarten in Nutzung durch Fa.Junkers

 

Umbau des Schäferhauses zu einem neuen Rathaus der Gemeinde Mosigkau

Nachdem die Verwaltung der nunmehr selbständigen Gemeinde Mosigkau nach dem Ende des 2. Weltkrieges ein vorübergehendes „Asyl“ im Schloss Mosigkau (, das auch schon fast aus den „Nähten platzte“ durch die Aufnahme von Flüchtlingen und Ausgebombte) gefunden hatte, kam man auf die Idee, das nunmehr nicht mehr seine ursprüngliche Aufgabe erfüllende Schäferhaus in eine Gemeindeverwaltung umzubauen. Der Mosigkauer Architekt Walther Pflug plante den Umbau und beaufsichtigte den Bau. Es sollte nun ein würdiger Rathausbau entstehen. Der Turm mit einer Uhr, der an das alte Haus angebaut wurde, betonte nun die neue Funktion des Hauses. Vom Turm her betrat man den Vorsaal im Erdgeschoss, den ein Wandbild des Dessauer Kunstmalers Paul Ernst Max Albrecht (1891-1970) schmückte:  Mosigkau – von Kochstedt gesehen.
Das Büro des Bürgermeisters lag im Erdgeschoß. Vier weitere Diensträume der Gemeindeverwaltung waren im Haus verteilt, wobei das  Sitzungszimmer des Bürgermeisters  im oberen Stockwerk zu finden war. Auch die erste kleine Leihbücherei gab es im Rathaus. Die Baumaterialien in diesen Nachkriegsjahren zu finden, war eine  schwierige Aufgabe. 20.000 Mark haben die Bauarbeiten gekostet. Mit großer Hartnäckigkeit und den kompetenten Gewerken aus Mosigkau und Dessau konnte die Verwaltung  1949 ihr neues Rathaus festlich einweihen. Dazu erschien die Festschrift „Mosigkau – Kleiner Führer durch Dorf, Schloß, Gemäldegalerie und Park“.

Rathaus um 1949

 

Das Ende des selbständigen Gemeinde Mosigkau und seines Rathauses 1952

Im August 1952 wurde mit der Verwaltungsreform der Stadtkreis Dessau gebildet. Um die benötigte Einwohnerzahl dafür zu komplettieren, wurde das Dorf Mosigkau eingemeindet und ist seitdem ein Ortsteil der Stadt Dessau.
Das (ehemalige) neue Rathaus beherbergte anschließend die Verwaltung der VdgB.

 

Die Kinderkrippe und der Kindergarten im alten Schäferhaus

Durch die gleichberechtigte Beschäftigung vieler junger Frauen in den sich entwickelnden Großbetrieben in Dessau wurde die Unterbringung der kleinsten Einwohner des Ortes Mosigkau zunehmend notwendig, da zwar für die Kinder im Vorschulalter der historische Kindergarten, die durch das Hochadelige Fräuleinstift Mosigkau gegründete „Kleinkinderbewahranstalt“ dienen konnte. Für die Kleinkinder unter drei Jahren gab es dort jedoch keine Möglichkeit der Unterbringung. Hierfür wurden spezielle Räume und ausgebildetes Betreuungspersonal gebraucht. Das zu einer relativ kleinen Kinderkrippe umgebaute Schäferhaus/ Rathaus diente nun einige Jahre sehr gut seinem neuen Zweck. Als nach der historischen Wende 2089 die Verwaltungsstrukturen der Stadt Dessau geändert wurden und zudem der historische Kindergarten zur Kulturstiftung Dessau-Wörlitz kam, zogen nach dem Beschluss der Stadtverwaltung die zahlreichen Kinder aus dem Kindergarten mit in die ohnehin beengte Kinderkrippe, was großen Notstand brachte. Der Name der Einrichtung  lautet seitdem nun „Schlosskinder“.

Die Lösung des Problems lag dann in der Übernahme des Gebäudes des historischen Kindergartens (in Erbbaupacht) durch den Behindertenverband e.V. In seiner Trägerschaft und unter seiner Leitung  wurde das alte Gebäude modernisiert und durch einen modernen Anbau komplettiert, so dass das alte  Haus Ende 2012 eingeweiht werden konnte.

Das Schäferhaus stand bis 2013 verwaist…

Mit dem in den Jahren 2013 bis 2016 erfolgtem Um- und Ausbau des seit 2009 unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes durch den Verein unter Beteiligung der Bürgerschaft und heimischen Gewerbetreibenden zu einem zentral gelegenen Vereinszentrum in Mosigkau, entstand das Bürgerhaus „Alte Schäferei“.
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